Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Dan Jones: Essex Dogs

Lesetipp von Andreas Mahr - 23.04.2024

Heike Schlatterer und Wolfram Ströle
Roman, C.H. Beck Verlag, 26,00 €

Passend zum Buchtipp im letzten Monat (Mächte und Throne) stelle ich Ihnen heute den neuen Roman des Historikers Dan Jones vor.

Im Jahr 1346, zu Beginn des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich, setzt der englische König Edward III mit einem Invasionsheer nach Frankreich über, um seine Ansprüche auf die französische Krone durchzusetzen. Dan Jones erzählt die Geschichte dieses epischen Konflikts anhand einer Söldnertruppe, die sich selbst „Essex Dogs“ nennt. Die zehnköpfige Gruppe aus hartgesottenen einfachen Kämpfern ist für 40 Tage verpflichtet und hofft, am Ende mit Gold gefüllten Taschen nach Hause zu kommen. Jones gelingt es die historischen Ereignisse real und spannend zu schildern und dabei den völlig unterschiedlichen Charakteren den nötigen Raum zu geben, sich zu entfalten. Da ist zum Beispiel ihr Anführer Loveday, von Zweifeln und Ängsten geplagt (heute würde man wohl PTBS dazu sagen), ist es für ihn das wichtigste, die Gruppe zusammenzuhalten und alle lebend nach Hause zu bringen. Dann ist da Pismire, der jüngste von ihnen, ein begnadeter Bogenschütze, aber seine Abhängigkeit von Mohnpulver bringt ihn ständig in bedrohliche Situationen. Außerdem gibt es noch den wortkargen Hühnen Scotsman, den Steinmetz Milstone und einen ehemaligen völlig verrückten Priester mit dem passenden Namen Father. Die Männer geraten während des Feldzuges zwischen die Mühlen ihrer adligen Anführer und haben wenig Einfluss auf ihr eigenes Schicksal, genau das macht diesen Roman so spannend.

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Ann-Helén Laestadius: Die Zeit im Sommerlicht

Lesetipp von Eva Lorenzen - 18.04.2024

Maike Barth und Dagmar Mißfeldt
Roman, Hoffmann und Campe, 26,00 €

Die Schwedin Ann-Helen Laestadius ist Autorin und Journalistin und gebürtige Sámi, sie setzt sich, als vielbeachtete Stimme, für die Rechte und Sichtbarkeit dieses indigenen Volkes im Norden Europas ein.
Ihr neuer Roman beginnt in den 1950er Jahren:
Else-Maj, Jon-Ante, Marge und viele andere sind sieben Jahre alt, als sie, vom schwedischen Staat verortnet, ihre Familien verlassen müssen, um ins Internat auf die sogennanten "Nomadenschulen" zu gehen. Dort wird nur Schwedisch gesprochen und alles was sie bis dahin in ihren Dorfgemeinschaften gelernt haben, als unterenwickelt verteufelt und verboten. Ihrer Sprache und Identität beraubt und einem rigiden Erziehungsstil ausgeliefert ,sind die Kinder verängstigt und hilflos. Als Reaktion auf die neuen Lebensumstände gibt es zwischen den Schüler:innen nicht nur Solidarität, sondern auch Mobbing und Gewalt.
In 30jährigen Zeitsprüngen erzählt die Autorin sehr einfühlsam vom weiteren Leben ihrer Protagonist:innen.
Else-Maj und ihre Familie leben ganz traditionell in einem samischen Dorf als Rentierhalter.
Jon-Ante ist in die Stadt gezogen, arbeitet im Bergbau,ist aber einsam,da er seine Dorfgemeinschaft/Familie verlassen hat, und in der Stadt nicht so recht Anschluß findet .
Marge arbeitet in der Pflege und lebt auch in der Stadt. Als sie (alleinerziehend) ein kleines Mädchen aus Südamerika adoptieren kann, findet sie anfangs gar keinen Zugang zu dem ,aus seinem Umfeld gerissenen Mädchen. Erst durch die Besuche in Marges Heimatdorf und die dortigen Unternehmungen beginnt eine langsame Annäherung.
 
Der Roman erzählt von einem Trauma über Generationen hinweg, von welchem die Autorin direkt betroffen ist,denn ihre Mutter war eine dieser Internatsschülerinnen!
Ein sehr erschütternder Teil der europäischen Geschichte.

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Toxische Pommes: Ein schönes Ausländerkind

Lesetipp von Målin Kruse - 12.04.2024

Roman, Zsolnay Verlag, 23,00 €

Nach dem Zerfall Jugoslawiens versuchten Anfang der 1990er Jahre serbische Truppen die kroatischen Grenzgebiete zu Serbien und Bosnien zu erobern und die dort lebende nichtserbische Bevölkerung gewaltsam zu vertreiben.
Von diesem Krieg waren die Protagonistinnen des teilweise autobiografischen Debütromans „Ein schönes Ausländerkind“ betroffen. In Rijeka, einer Hafenstadt im Westen Kroatiens, lebten seit ihrem Studium eine Montenegrianerin und ein Serbier zusammen, seit zwei Jahren hatten sie eine gemeinsame Tochter. Bedroht von nationalistischen Freunden, Nachbarn und Arbeitgebern sowie von aus der Ferne hörbaren Gewehrschüssen flohen sie zu dritt nach Österreich. In Wiener Neustadt arbeiteten sie für Unterkunft, Einkommen, Aufenthaltsgenehmigung und Anerkennung. Aus der Perspektive der Tochter lesen wir über drei Personen, deren Immigration sie ihre Lebendigkeit, ihr Selbstverständnis und ihre Stimme kostet und zur Entfremdung voneinander und sich selbst führt.

Toxische Pommes erzählt diese schmerzhafte Geschichte auf unterhaltsame Weise, ihr Text ist komisch und lehrreich zugleich. Ich wünsche mir, dass sie ihre klugen Beobachtungen in weiteren Romanen mit uns teilen wird.

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Stefanie Taschinski: Tuuli, das Wichtelmädchen 2. Der große Elfenzauber

Lesetipp von Annette Quest - 08.04.2024

Kinderbuch ab 6 Jahren, Oetinger, 14,00 €

Kaum öffnet man das neue schön gestaltete Buch von Stefanie Taschinski, als einen auch schon eine frische Seebrise umfängt, die nach Waldmeister und Glockenblumen duftet. Tuulis Familie steckt mitten in den Vorbereitungen für das legendäre Mittsommerfest. Darauf freut sich Tuuli ganz besonders, denn da scheint die Sonne so lange, dass sie überhaupt nicht schlafen gehen muss. Außerdem wird in diesem Jahr der "Große Elfenzauber" bei ihnen stattfinden, mit Luftartisten, Musik und Elfenglimmer!
Doch dann geschieht etwas Schlimmes: Die Zauberschere, mit denen die Elfen beim Höhepunkt des Festes etwas ausschneiden, das dann lebendig wird, ist in den See gefallen! Tuulis bester Freund, der Dackel Jonte, ist immer wieder hinab getaucht, hat aber nichts gefunden. Nun ist guter Rat teuer. Ein schreckliches Gerücht kommt auf: Könnte es der Niffel gewesen sein? Das wäre schlecht, denn vor dem haben alle Angst … 

Stefanie Taschinski beschenkt uns mal wieder mit einer wunderschönen Schweden- und Märchenatmosphäre und einer zarten Geschichte, die ganz großartig die Balance hält zwischen Spannung und Poesie. Auch die Illustrationen passen prima!
Für Kinder ab 6 Jahren – und für alle anderen.

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Karen Köhler: Himmelwärts

Lesetipp von Anna Puszies - 06.04.2024

Kinderbuch ab 10 Jahren, Hanser, 19,00 €

In Himmelwärts verbringen wir eine schlaflose und abenteuerreiche Nacht mit Toni-Peperoni (auch genannt: Totoroni) und ihrer allerbesten Pommes-Freundin und Nachwuchsforscherin YumYum. Die beiden planen schon laaange eine Nacht draußen im Zelt, um ihr kosmisches Radio auszuprobieren und so viele Süßigkeiten zu verdrücken wie in ihren Snackmagen passen, der ganz ähnlich wie Hermine Grangers Handtasche funktioniert! Zum Glück erlaubt es Tonis Papa, und YumYums Mama muss ja auch nicht alles wissen... doch außer Toni und YumYum sitzt noch die große Vermissung mit im Zelt, denn Toni hat ihre Mama verloren. Deshalb hoffen die beiden sie mit ihrem Radio dort oben erreichen zu können. In dieser Nacht erzählt uns Totoroni, während sie in den Himmel funken, von ihrer wunderbaren Mama und wir erfahren Stück für Stück mehr über die Geschichte ihrer Vermissung.
Karen Köhler beschreibt in ihrem ersten Kinderbuch Tonis schmerzhafte und aufrichtige Trauer. Himmelwärts ist aber ebenso eine poetische Geschichte über Familie, Freundschaft und die kleinen und großen Wunder unserer Welt.
Empfohlen ab 10 Jahren, am besten zum gemeinsamen Lesen und darüber sprechen oder für erprobte junge und ältere Leser*innen. Eine traurig-lustig-philosophische Leseempfehlung, gespickt mit tollen Illustrationen von Bea Davis.

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Diane Oliver: Nachbarn

Lesetipp von Målin Kruse - 22.03.2024

Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg
Roman, Aufbau Verlag, 24,00 €

In fünfzehn Storys fing Diane Oliver Mitte der 1960er Jahre das Amerika der Bürgerrechtsbewegung ein. Ihre Protagonist:innen erleben Rassismus alltäglich:

Ellies Familie lebt in tödlicher Bedrohung weil ihre Eltern planen, ihren kleinen Bruder Tommy auf die Schule der Weißen zu schicken.

Winifred leidet unter dem Aktivismus ihres liebenden Vaters, der sie als einzige Schwarze Studentin ein College in den Südstaaten besuchen lässt. Dort tun alle so, als sei sie gar nicht da – oder reden argwöhnisch über sie.

Zu gern würde Jenny einmal im Restaurant am Nachbartisch von Mrs. Wright sitzen, für die sie putzt, sie stellt sich vor, wie Mrs. Wright die Augen aus dem Kopf fielen und sie hochrot würde. Zusammen mit drei weiteren Aktivist:innen besucht Jenny wider der gesellschaftlichen Regel ein Restaurant der Weißen.

Rassistische Übergriffe drängen Mrs. und Mr. Mack mit ihrem Sohn in den Wald, weit weg von der Zivilisation. Es besucht sie eine Weiße, die die Ruhe stört und den Rückzug der Familie nicht akzeptiert.

Oliver veranschaulicht den Rassismus gegen die Schwarze Bevölkerung sowie die Wut, den Mut und das Engagement Schwarzer Amerikaner:innen in den 1950er und 60er Jahren. Die Bilder, die sie zeichnet, werden mir im Gedächtnis bleiben.
Wäre Diane Oliver nicht leider 1966 im Alter von 22 Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen, wäre sie sicherlich eine vielbeachtete Schriftstellerin geworden. Ihre frühen, feinen literarischen Erzählungen sollten Sie auf jeden Fall lesen! In diesem Jahr erschienen sie erstmals auf Deutsch, übersetzt von Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg, mit einem Nachwort von Tayari Jones.

 

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Moshtari Hilal: Hässlichkeit
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Claire Keegan: Das dritte Licht
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Ole Könnecke: Buddeln, baggern, bauen
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