Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Dacia Maraini: Ein halber Löffel Reis

Lesetipp von Eva Lorenzen - 23.05.2025

Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler
Roman, folio, 25,00 €

Die bekannte italienische Schriftstellerin Dacia Maraini erinnert an ihre Kindheit in Japan in den 1940er Jahren und die traumatische Zeit in einem Internierungslager.

Die Autorin war sieben Jahre alt, als ihre Eltern sich weigerten, das faschistische Regime in Italien anzuerkennen. Daraufhin wurde die ganze Familie als „feindliche Ausländer“ in einem japanischen Lager interniert. Die Wachen hatten eine sadistische Freude daran, die Insassen zu drangsalieren und hungerten sie Stück für Stück aus, sodass von der anfänglich diskussionsfreudigen Gemeinschaft bald nichts mehr übrig blieb. Die Welt bestand einzig aus Hunger, Erniedrigungen und der ständigen Angst um Leib und Leben.

Dacia Maraini beschreibt gleich am Anfang des Buches, wie schwer es ihr gefallen sei, alte Wunden aufzureißen und sich diesem Thema zu stellen, das ihr ganzes Leben geprägt hat. In Interviews betont sie, wie wichtig es ihr gerade in der heutigen Zeiten erscheine, diese Kriegserfahrungen eines Mädchens, einer direkten Zeugin, zu teilen.

Ein bewegendes, persönliches Buch über einen weitestgehend in Vergessenheit geratenen Teil der Geschichte. Über ein Leben im festen Glauben an die Kraft der Poesie. Ein Appell an die Menschlichkeit und gegen den Rassismus.

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Sophie Hunger: Walzer für Niemand

Lesetipp von Sybille Kramer - 22.05.2025

Roman, Kiepenheuer & Witsch, 22,00 €

Die wunderbare Schweizer Sängerin Sophie Hunger hat ihren ersten Roman geschrieben. Da stellt sich natürlich gleich die Frage, ob die Künstlerin, die ich zuletzt in der Elphi erlebt habe, auch auf diesem Gebiet so talentiert ist. Ich beantworte diese Frage mit "ja". Alle, die Frau Hungers poetisch-versponnenen, manchmal rätselhaften Songtexte lieben, werden begeistert sein. Oder nach der Lektüre auch ihre Musik entdecken wollen.

Im Roman geht es um die enge Freunschaft zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem besten und einzigen Freund Niemand. Seit Kindertagen sind die beiden unzertrennlich, vereint durch die Liebe zur Musik, sitzen unterm Tisch und hören immer wieder die gleichen LangspieIplatten. Ihre Eltern sind Militärattachés und deshalb ist die Kindheit geprägt von häufigen gemeinsamen Umzügen. Nach England, Deutschland und zurück in die Schweiz. Sie treten als Einheit auf, wenn sie sich immer wieder vor neuen Mitschülern behaupten müssen. Das macht die Außenseiter stark, aber bei der Ich-Erzählerin schleicht sich während der Pubertät allmählich ein Gefühl der Vereinzelung und Einsamkeit ein. Sie will vor Publikum singen, es drängt sie auf die Bühne und ihr Wunsch nach mehr Kontakt zur Außenwelt ist schmerzhaft. Zumal ihr klar ist, dass Niemand zurückbleiben wird bei dieser Entwicklung. Niemand wird immer weniger, verliert tatsächlich immer mehr an Gewicht und verschwindet allmählich aus ihrem Leben. Je mehr sie sich der Welt öffnet, desto verschlossener und seltsamer wird Niemand. Ihr Freund fängt an, Nachforschungen zu den Walserinnen zu betreiben, von deren Schweizer Volksgruppe sowohl die Erzählerin als auch die Autorin abstammen. Die kurzen Forschungsnotizen finden sich zwischen den Kapiteln und sind teilweise sehr skurril. Nach einem Konzertauftritt der Erzählerin in Paris kommt es dann zur Katastrophe.

In diesem Entwicklungsroman gibt immer wieder Verweise auf Hungers Songtexte. So ist der Romantitel auch Titel eines Liedes aus dem Jahr 2008. Wer jetzt Lust bekommen hat auf einen sehr poetischen Coming-of-Age-Roman und in die Musikwelt von Sophie Hunger eintauchen möchte, der ist hier genau richtig!

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Varsha Shah: Ajay und die Tintenhelden

Lesetipp von Annette Quest - 21.05.2025

Aus dem Englischen von Katharina Naumann
Kinderbuch ab 10 Jahren, Atrium, 15,00 €

Wir befinden uns in Indien, im Bahnhof von Mumbai, wo Ajay Zeitungen verkauft. Was er allerdings viel lieber tun würde, ist, selbst als Journalist für diese Zeitung zu schreiben. Dafür ist er natürlich viel zu jung. Aber auch die Tatsachen, dass er keine Eltern hat, arm und außerdem ein 'Unberührbarer' ist, machen es ihm nahezu unmöglich, jemals einen solchen Beruf zu ergreifen. Denn selbst wenn eine Diskriminierung aufgrund der Kaste in Indien schon lange gesetzlich verboten ist, besteht die Hierarchie in den Köpfen fort. Ajay jedoch ist ein sehr willensstarker und kluger Junge, der weiß, wann seine Chance gekommen ist. Als die Textilfabrik, in der seine Freundin arbeitet, im Monsunregen einstürzt, beginnt er zusammen mit seinen Freunden zu recherchieren und ist bald einem großen Skandal auf der Spur. Da versteht es sich ja wohl von selbst, eine eigene Zeitung zu gründen und die üblen Machenschaften ans Licht zu bringen!

Ein Kinderbuch, das sich mit der Problematik von sozialer Ungerechtigkeit und 'Fast Fashion' in Indien auseinandersetzt, hat mich sofort neugierig gemacht. Noch dazu, wo dieser brisante politische Aspekt in eine spannende Geschichte verpackt ist, bei der man immer wieder den Duft von karamelisierten Zwiebeln, mit Kreuzkümmel gewürzten Kartoffelwürfeln, Kokosnuss und natürlich Curry in der Nase hat! Und auch, wenn mir manches ein wenig glatt gebügelt erscheint, wirken andere Szenen und Wendungen dafür umso realistischer.

Interessant sind die Informationen der Autorin im Anhang, die den Lesenden zum Nachdenken anregen. Müssen wir Deutschen wirklich durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr kaufen und damit immer wieder die schlechten Arbeitsbedingungen und die Kinderarbeit in Ländern wie Indien untermauern?

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Maya C. Klinger: Wie ein Foto unser Leben rettete

Lesetipp von Nicole Christiansen - 20.05.2025

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer, Illustrationen von Isabel Kreitz
Kinderbuch ab 7 Jahren, Insel, 15,00 €

Zu Beginn dieser wahren Geschichte stellt uns der fünfjährige Gavra Mandil seine Familie vor. Wie schon der Großvater ist auch sein Vater ein bedeutender Fotograf. Seine Eltern Mosche und Gavriella leben mit ihm und seiner kleinen Schwester Beba in Novi Sad.
Als sie alle die Großmutter Beschka in Belgrad besuchen, besetzen die Nazis Jugoslawien. Plötzlich befindet sich die Familie in großer Gefahr. Sie sind Juden und müssen sich verstecken. Auf ihrer Flucht durch Italien nach Albanien überwinden sie viele Gefahren und helfen sich und Anderen aus höchster Not. Die Familie Mandil wird den Krieg überleben. Sie treffen auf Menschen, die mutig sind und die Familie mit ganz viel Herzensgüte beschützen. Warum ein Foto ihnen das Leben rettet, wird hier aber nicht verraten.

Wunder, wunder, wundervoll sind neben dem Text und den Originalfotos der Familie auch die Illustrationen von Isabel Kreitz.

Diese Geschichte eignet sich hervorragend, um schon Grundschulkindern von der Rettung verfolgter jüdischer Menschen während des 2. Weltkrieg zu erzählen. Das Schicksal der Familie Mandil sensibilisiert für jede Form von Ausgrenzung und ermutigt die Leser:innen, sich für Menschen einzusetzen, die Hilfe brauchen.

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Neal Shusterman, Michelle Knowlden, Debra Young: Break to You

Lesetipp von Annette Quest - 19.05.2025

Übersetzt von Kristian Lutze, Pauline Kurbasik und Andreas Helweg
Jugendbuch ab 14 Jahren, Fischer Sauerländer, 19,90 €

Eine wunderschöne Liebesgeschichte unter nahezu unmöglichen Bedingungen!

Die 16-jährige Adriana, wegen Diebstahl in der Jugendhaftanstalt, verliert ihr kleines Tagebuch in der Bibliothek. Sie fürchtet schon, eines der anderen Mädchen könnte es gefunden und gelesen haben, als sie es endlich ganz hinten ins Bücherregal einsortiert findet. Mit einer Nachricht von einem Jungen namens Jon. Zuerst schreibt sie aus Wut zurück, dann aber entspinnt sich zwischen ihnen ein intensiver Briefwechsel. Beide stellen fest, dass sie einander sehr nah fühlen und sie über alles reden können, sogar über die inneren Abgründe, die sie hierher gebracht haben.

Kein Wunder, dass sie sich unbedingt treffen wollen, was natürlich verboten und bei den strengen Sicherheitsmaßnahmen ein Ding der Unmöglichkeit darstellt. Doch wenn es darum geht, das Gefängnissystem auszutrixen, scheinen alle Häftlinge zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenzurutschen. Aber – können Adriana und Jon wirklich jedem Einzelnen trauen?

Für alle ab 14, die in eine mitreißende Liebesgeschichte abtauchen wollen und die sich gleichzeitig viel Stoff zum Nachdenken wünschen. Denn die Autor:innen prangern darin die Ungerechtigkeit und Korruption im amerikanischen Jugendstrafrecht an. 

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Susanne Gregor: Halbe Leben

Lesetipp von Eva Lorenzen - 29.04.2025

Roman, Zsolnay, 23,00 €

Gleich am Anfang ereignet sich das Unglück: Klara stürzt bei einer Bergwanderung mit Paulína ab und erliegt ihren Verletzungen auf dem Weg ins Krankenhaus.

Rückblende:
Klara, eine erfolgreiche Architektin, wird vom Schlaganfall und der beginnenden Demenz ihrer Mutter aus der gewohnten Routine gerissen. Schnell wird klar, dass sie von der neuen Situation überfordert ist und so sucht sie für die bei ihrer Familie einquartierten alten Dame, eine Pflegekraft. Über eine Agentur finden sie die Slowakin Paulína, die im Zwei-Wochen-Rhytmus mit im Haus wohnt und bald für die ganze Familie zur willkommenen Unterstützung wird.

Doch nach einiger Zeit tun sich die ersten Risse in diesem vermeintlich perfekten Arrangement auf! Bei aller Freundlichkeit und Großzügigkeit der Arbeitgeber:innen bleibt das Verhältnis stets distanziert und oberflächlich und die Rollen klar verteilt. Paulína fühlt sich zunehmend ausgenutzt und als ihr die Fahrt zu ihrem verletzten Sohn in die Heimat verweigert wird, weil Klaras Familie ein Wellness - Wochenende plant, zieht sie ihre Konsequenzen…..

Ein tolles Buch über zwei Frauen, deren Lebenswelten, trotz ihres ähnlichen Kampfes um Anerkennung, Glück und Familie, nicht unterschiedlicher sein könnten!

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Martin Suter: Wut und Liebe
von Sybille Kramer, 29.04.2025

Annett Gröschner: Schwebende Lasten
von Nicole Christiansen, 28.04.2025

Anna Hope: Wo wir uns treffen
von Målin Kruse, 28.04.2025

Robert Harris: Abgrund
von Sönke Christiansen, 23.04.2025

Kjersti Annesdatter Skomsvold: Lisa mit einem Herz drum rum
von Nicole Christiansen, 19.04.2025

Annika Scheffel: Wanda
von Annette Quest, 18.04.2025

Kristine Bilkau: Halbinsel
von Sigrid Lemke, 31.03.2025

Elizabeth Heichelbech: Chopin in Kentucky
von Sybille Kramer, 26.03.2025

Susann Pásztor: Von hier aus weiter
25.03.2025

Sigrid Zeevaert: Nuria
von Annette Quest, 13.03.2025

Katherine Rundell: Impossible Creatures - Das Geheimnis der unglaublichen Wesen
von Annette Quest, 13.03.2025

Mehrnousch Zaeri-Esfahani & Frauke Angel: Ein Liekesch für Jascha
13.03.2025

Leon de Winter: Stadt der Hunde
von Sybille Kramer, 28.02.2025

Liz Moore: Der Gott des Waldes
von Sönke Christiansen, 23.02.2025

Hannah Gold: Schildkrötenmond
von Annette Quest, 16.02.2025

Carlo Cassolla: Ins Holz gehen
von Nicole Christiansen, 13.02.2025

Anne Frank: Füller-Kinder
06.01.2025

K. J. Reilly: Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
06.01.2025

Richard Osman: Wir finden Mörder
05.01.2025

James Kestrel: Bis in alle Endlichkeit
18.11.2024

Paul Lynch: Das Lied des Propheten
18.11.2024

Arezu Weitholz: Hotel Paraíso
von Eva Lorenzen, 18.11.2024

Yuval Noah Harari: Nexus
von Sönke Christiansen, 18.11.2024

Katja Lange-Müller: Unser Ole
18.11.2024

Viktoria Lloyd-Barlow: All die kleinen Vogelherzen
18.11.2024

Andreas Heidtmann: Bei den Minderen Brüdern
von Eva Lorenzen, 18.11.2024

Hrsg.: Wolfgang M. Schmitt, Ann-Kristin Tlusty: Selbst schuld!
von Målin Kruse, 18.11.2024

Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir?
von Annette Quest, 18.11.2024

Doris Wirth: Findet mich
von Annette Quest, 18.11.2024

Rasha Khayat: Ich komme nicht zurück
von Målin Kruse, 18.11.2024

Ulrike Edschmid: Die letzte Patientin
von Sigrid Lemke, 18.11.2024

Tanja Bogusz: Das Mädchen mit dem Heiermann - Großwerden auf St. Pauli
von Eva Lorenzen, 18.11.2024

Tilo Eckardt: Gefährliche Betrachtungen
von Sigrid Lemke, 18.11.2024

Carys Davies: Ein klarer Tag
von Sybille Kramer, 18.11.2024

Lucy Fricke: Das Fest
von Sybille Kramer, 18.11.2024

William Martin: Dezember 41
von Sönke Christiansen, 18.11.2024

Iida Turpeinen: Das Wesen des Lebens
von Sönke Christiansen, 18.11.2024

Martin Schäuble: Die Geschichte der Israelis und Palästinenser
von Annette Quest, 18.11.2024

Steffen Mau: Ungleich vereint
18.11.2024

Aleida und Jan Assmann: Gemeinsinn
von Nicole Christiansen, 18.11.2024

Amor Towles: Eve
von Sönke Christiansen, 23.10.2024

Clare Chambers: Scheue Wesen
von Sybille Kramer, 22.10.2024

Marc-Uwe Kling: Das NEINhorn und der Geburtstag
20.10.2024

Jolan C. Bertrand: Die Winterschwestern
von Annette Quest, 16.10.2024

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