Lesetipp von Michael Keune - 21.02.2017
Roman, C.H.Beck, 19,95 €
Es handelt sich um eine wahre Begebenheit, die Seigle in seinem neuen Roman erzählt. Die junge Pauline, die während der deutschen Besatzung Frankreichs die Geliebte eines deutschen Militärarztes ist, leidet nach der Befreiung sehr darunter, von Männern missachtet zu werden.
Ihre große Liebe Félix, der von ihrer Vergangenheit erfährt und sie deshalb abweist, tötet sie im Affekt. Somit wird sie 1950 in Paris zum Tode verurteilt, was später in lebenslänglich umgewandelt wird. Aus dem Gefängnis entlassen, flieht sie nach Marokko, um unter anderem Namen ein neues Leben zu beginnen. Der Grund dafür ist unter anderem der Regisseur Clouzot, der, von diesem Kriminalfall inspiriert, den Film „Die Wahrheit" mit der jungen Brigitte Bardot dreht. Für Pauline eine starke Konfrontation, um mit der Vergangenheit abschließen zu können.
In Marokko gibt es einen neuen Mann, mit dem sie sich verbindet und dem sie ihre Erinnerungen hinterläßt. In diesen Erinnerungen erfährt der Leser die Lebensgeschichte dieser klugen und schönen Frau, die sehr oft gegen familiäre Mächte, auch in der Gesellschaft, antreten mußte. Ein Buch, das einen sehr berührt.
Lesetipp von - 13.02.2017
Nuka Matthies, Kerstin Schöps und Ursula Bischoff
Sachbuch Pädagogik, Beltz, 18,95 €
Der fleißig schreibende dänische Familientherapeut Jesper Juul hat ein neues Buch für Familien herausgebracht. Und diesmal geht es besonders um die Eltern.
Die waren ja bevor sie Eltern wurden, mal ein Paar, ein Zustand, den sie eigentlich nicht komplett gegen die Elternschaft hatten eintauschen wollen. Aber in der Realität ist es nunmal häufig so, dass beim Übergang ins Elterndasein das Paar auf der Strecke bleibt. Dieser Umstand ist nicht nur für die Eltern bedauerlich, sondern auch für die Kinder, wie wir aus den in diesem Buch versammelten Texten lernen können. Es enthält sieben "Münchener Gespräche", die im Rahmen des familiylab zwischen dem Autor und verschiedenen Familien geführt wurden, und mehere Exkurse von Jesper Juul, u. a. über verschiedene Arten von Bindung der Kinder zu ihren Elternteilen und den Umgang mit einer Trennung der Eltern.
Bei der Lektüre werden wohl alle Väter und Mütter eigene Verhaltensmuster erkennen und Anregungen erhalten, wie sie mit Konfliktsituationen umgehen können. Hier ein paar Kostproben:
Eltern haben ein Recht auf Zweisamkeit. Und es ist in Ordung, das gegenüber seinen Kindern zu vertreten.
Nur wenn es den Eltern gut geht, kann es auch den Kindern gut gehen. Wenn die Kinder erleben, dass ihre Eltern sich gegenseitig Aufmerksamkeit und Unterstützung geben, ist das für die Kinder eine große Erleichterung, weil sie sich sonst automatisch zuständig und überfordert fühlen.
Eltern sollten ihren Kindern vorleben, dass sie sich um ihre Bedürfnisse kümmern, wenn sie sich wünschen, dass ihre Kinder dazu später auch in der Lage sind.
In diesem Sinne: Auf die Liebe!
Lesetipp von Nicole Christiansen - 01.02.2017
Roman, Beck, 19,95 €
Jonas Lüscher, der Autor von „Frühling der Barbaren" hat ein neues Buch geschrieben. „Kraft" ist der vielschichtige Titel und zugleich der Name der Hauptfigur.
Richard Kraft, Rhetorikprofessor in Tübingen, erhält ein lukratives Angebot, welches ihn in die Lage versetzen könnte, sich aus seiner gescheiterten Ehe freizukaufen.
Ivan, sein alter Studienfreund aus Berlin, schickt ihm in einer Mail eine Ausschreibung, in der es um die Frage geht, warum alles, was ist, gut ist und wir es dennoch verbessern können. Die Beiträge sollen an einem einzigen Nachmittag im Auditorium der Stanford University präsentiert werden. Dem Verfasser der preiswürdigsten Antwort winken eine Million Dollar. Das letzte Wort hat dabei der Internet-Mogul Erkner, der sich mit seiner Fragestellung an der Leibniz'schen Lösung der Theodizee über die Güte Gottes, die Freiheit der Menschen und den Ursprung des Übels orientiert.
Als Kraft seiner Ehefrau Heike erklärt, dass er vier Wochen ins Silicon Valley reisen wird, um sich vorzubereiten, antwortet diese ihm nüchtern und pragmatisch: "Geh, gewinne, bring uns das Geld nach Hause, damit wir alle wieder unsere Freiheit haben."
Und so macht er sich auf den Weg. Der Intellektuelle aus dem alten Europa, der sich auf einen Gott beruft, der in Kalifornien durch vor nichts zurückschreckender Fortschrittsoptimierung schon längst ersetzt wurde.
Als Buchhändlerin bin ich in Zeiten wie diesen besonders dankbar, Ihnen ein so gutes wie nachdenklich stimmendes Buch empfehlen zu können.
Lesetipp von - 01.02.2017
Roman, Hanser Berlin, 18,00 €
Noemi Schneider schildert das Lebensgefühl der Mitte Dreißigjährigen. Revolution? Haben doch alles schon die Eltern gemacht. Heute ist man viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu vermarkten.
So auch die Protagonistin dieses Romans, die schon ein paar erfolgreiche Filmprojekte gemacht hat, aber gerade nicht weiterkommt und pleite ist. Sie hat ihre Wohnung untervermietet und stellt sich vor, bei ihrer Mutter auf dem Land eine kleine Auszeit zu nehmen. Dort angekommen findet sie ihre Mutter wie immer mit ihren Freundinnen diskutierend und kiffend auf der Terasse vor. Womit sie allerdings nicht gerechnet hat ist, dass ihre Mutter unterdessen einige Flüchtlinge in ihrem großen Haus untergebracht hat und für sie eigentlich gar kein Platz mehr ist. Als dann aber auch noch ein Dschihadist im Hungerstreik dazukommt, braucht die tatkräftige Mutter doch etwas Unterstützung...
Noemi Schneider packt gekonnt aktuelle Themen an und scheut auch vor Ausflügen ins Utopische nicht zurück. Es scheint, dass die Autorin viel Spaß beim Schreiben hatte (z. B. beginnt sie immer wieder einen Absatz damit, was gerade in einer Küche geschieht), und so hat man ihn auch beim Lesen. Zwischendrin finden sich so wunderbare Sätze wie "Seitdem gebe ich jedem Bettler was. Geld sucht schließlich auch bloß einen Sinn."
Lesetipp von Ingrid Fiedler - 01.02.2017
Ina Kronenberger
Erzählungen , Hanser, 20,00 €
Diese Neuerscheinung der beliebten Autorin ist diesmal kein Roman. Hinter dem Titel „Ab morgen wird alles anders" verbergen sich fünf unterschiedliche Geschichten - zwei etwas längere und drei etwas kürzere.
Die französische Originalausgabe ist bereits 2014 unter dem Titel "La Vie en mieux" erschienen. Zentrale Themen, die die Autorin in diesem Erzählband anspricht, sind Beruf und Familie, wirtschaftliche Sorgen, Arbeitsverhältnisse oder das eigene Ich. Es geht um „ganz normale Menschen", die plötzlich in Situationen geraten, die ihr Leben verändern.
Anna Galvalda erzählt von ganz unterschiedlichen Personen. Es geht unter anderem um eine junge Frau, der die Tasche mit viel Geld gestohlen wird, oder einen sechsjährigen Schüler, der einem Klassenkameraden im Rollstuhl einen Reifen zerstochen hat. Sie beschreibt einen Menschen, der seinen Hund einschläfern lassen, und dennoch sein neues Glück findet und erzählt von einem jungen Mann, der nach einer Begegnung mit seinen Wohnungsnachbarn Bilanz zieht und sein Leben verändert.
Die Kurzgeschichten, die in Paris spielen, sind besonders für Liebhaber kurzer Erzählungen zu empfehlen. Natürlich auch für Leser und Leserinnen moderner Literatur.
Lesetipp von - 25.01.2017
Biographien, Insel Verlag, 12,90 €
Das Erste, was ich mir vornahm, nachdem ich vor einigen Wochen den Film „Paula - Mein Leben soll ein Fest sein" im Kino gesehen hatte, war, dass ich nun alles über sie erfahren wollte. Ich griff zu Barbara Beuys' Biografie „Paula Modersohn Becker. Oder: Wenn die Kunst das Leben ist" und konnte nicht mehr aufhören zu lesen.
Es zählt zu den großen Stärken dieses Buches, dass sich die Autorin Barbara Beuys der Malerin Paula Modersohn-Becker nicht mit dem Blick einer Kunsthistorikerin nähert, sondern mit der Empathie der Menschenforscherin – und der Akribie der Quellensichterin. Die studierte Historikerin, Soziologin und Philosophin, die zahlreiche hochgelobte Biografien verfasst hat, kommt dem Mitglied der Worpsweder Künstlerkolonie gerade dadurch nahe, dass sie sich an die Fakten hält und sich nicht von psychologisierenden Mutmaßungen bestechen lässt. Sie arbeitet sich durch Briefe und Tagebücher, nicht nur von Modersohn-Becker, sondern auch von Menschen, die sie kannten, und setzt aus diesen Einzelteilen ein beeindruckendes zeitgeschichtliches Mosaik zusammen. Es zeigt eine Frau, die aus einer für damalige Verhältnisse sehr modernen Familie stammt, modern bis zu einem gewissen Grad. „Deine Kunst gibst Du ein Leben lang nicht auf", bestärkt die Mutter ihre Tochter darin, einen Beruf zu ergreifen, der damals eine Männerdomäne darstellt. Ist Paula Becker allerdings erst einmal mit dem Worpsweder Künstler Otto Modersohn verlobt, weist sie der Vater an: „Deine Pflicht ist es, ganz in Deinem Mann aufzugehen."
Barbara Beuys möchte den Menschen verstehen, will verstehen, was sich die Künstlerin vom Dasein als Künstlerin verspricht, Kunst als Mittel zur persönlichen Vervollkommnung. Schläft die Künstlerin fünf Jahre nicht ihrem Mann, um rein zu sein, rein für die Kunst? Unterwirft sie sich einem künstlerischen Zölibat, um dem Göttlichen der Kunst zu dienen? Modersohn-Becker schreibt in einem ihrer Briefe: „Vielleicht ist diese Einsamkeit gut für meine Kunst, vielleicht wachsen ihr in dieser ernsten Stille Flügel."
Jean-Luc Seigle: Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
von Michael Keune,
21.02.2017
Jesper Juul: Liebende bleiben
13.02.2017
Jonas Lüscher: Kraft
von Nicole Christiansen,
01.02.2017
Noemi Schneider: Das wissen wir schon
01.02.2017
Anna Gavalda: Ab morgen wird alles anders
von Ingrid Fiedler,
01.02.2017
Barbara Beuys: Paula Modersohn-Becker Oder: Wenn die Kunst das Leben ist
25.01.2017
Tana French: Gefrorener Schrei
von Sigrid Lemke,
05.01.2017
Dmitrij Kapitelman: Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters
von Michael Keune,
29.12.2016
David van Reybrouck: Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist.
07.12.2016
Oliver Scherz: Wenn der geheime Park erwacht, nehmt euch vor Schabalu in Acht
01.12.2016
Jocelyne Saucier: Ein Leben mehr
von Sönke Christiansen,
23.11.2016
Cynthia D' Aprix Sweeney: Das Nest
17.11.2016
Celeste Ng: Was ich euch nicht erzählte
von Ingrid Fiedler,
26.10.2016
Matthias Brandt: Raumpatrouille
von Michael Keune,
21.10.2016
Boris Schumatsky: Die Trotzigen
15.10.2016
Sylvie Schenk: Schnell, dein Leben
01.10.2016
Horst Eckert: Wolfsspinne
von Sigrid Lemke,
28.09.2016
Connie Palmen: Du sagst es
von Nicole Christiansen,
22.09.2016
Steven Herrick: Wir beide wussten, es war was passiert
29.08.2016
Barbara Beuys: Helene Schjerfbeck. Die Malerin aus Finnland
von Ingrid Fiedler,
27.08.2016
Bret Anthony Johnston : Justins Heimkehr
von Michael Keune,
18.08.2016
Jenny Han: To all the boys I' ve loved before
28.07.2016
Paula Fürstenberg: Familie der geflügelten Tiger
26.07.2016
Judith Hermann: Lettipark
16.07.2016
Gina Bucher: Ich trug ein grünes Kleid, der Rest war Schicksal. Geschichten von der Liebe
von Nicole Christiansen,
29.06.2016
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