Lesetipp von Andreas Mahr - 20.11.2023
Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Roman, mare, 25,00 €
Der junge Daniel Bones wächst Ende des 19. Jahrhunderts in einem trostlosen Fischerdorf an der englischen Küste auf. Er versucht sich und seinen kleinen Bruder vor dem brutalen Vater zu schützen und dabei irgendwie den Weg in eine bessere Zukunft zu finden. Diese Chance kommt eines Tages ganz unverhofft in der Person von Captain Clarke B. Ein Abenteurer und Schlitzohr, der sich einen Namen gemacht hat als „furchtloser Froschmann". Daniel erhält die Gelegenheit mit Captain Clarke auf Reisen zu gehen. Quer durch Europa über Flüsse und Seen führt ihre Reise, ständig verfolgt von Gläubigern des durchtriebenen Captains.
Eine turbulente, charmante Geschichte, die glatt aus der Feder von Mark Twain stammen könnte. Kleiner Fun-Fact: den ominösen Captain Clark hat es tatsächlich gegeben und er gilt als der Erfinder des Überlebensanzugs.
Lesetipp von Annette Quest - 12.11.2023
Kinderbuch ab 11 Jahren, Mixtvision, 16,00 €
Ich wurde schon öfter von Kund:innen gefragt, warum es so viele problembefrachtete Kinderbücher gibt. Lena Hach hat nun ein richtig spannendes, kluges und witziges Buch geschrieben – auch wenn ich mich gefragt habe, ob ich es wirklich empfehlen kann. Schließlich geht es um ein Mädchen, das Mitschüler:innen dafür rekrutiert, in eine Villa einzubrechen und einen Tennisball im Wert von 30.000 Euro zu stehlen! Dies einmal geschluckt, findet man sich in einer rasanten Kombination aus 'Ocean's Eleven' und 'Breakfastclub' wieder. Mit herrlich markigen Charakteren und vielen aufschlussreichen Sketchnotes. Und am Ende erscheint alles dann doch in einem anderen Licht, denn: was genau wollte Wanda eigentlich wirklich?
Lesetipp von Susanne Sießegger - 12.11.2023
Übersetzt von Ebi Naumann
Bilderbuch ab 4 Jahren, Aladin , 16,00 €
Wale und Natur spielen in den wunderschön illustrierten „Nick"-Büchern von Benji Davies immer eine große Rolle. In seinem vorigen Bilderbuch „Nick und der Sommer mit Oma" hat Nick seine Oma von ihrer verlässlichen Seite kennen gelernt - zuvor fand er sie etwas merkwürdig.
Auch sein neues Bilderbuch, das Vierte in dieser Reihe, ist voller atmosphärisch schöner Bilder, deren Charme in der Einfachheit und Zeitlosigkeit. Das Buch beginnt, wie auch schon die Vorgänger-Bände mit den Worten: Nick lebte mit seinem Vater und sechs Katzen am Meer. Es ist Herbst und Oma ist zu Besuch. In einer stürmischen Nacht beruhigt sie Nick mit einer Geschichte: „Es war einmal ein Mädchen, das lebte auf einer Insel..." Und dieses Mädchen hatte, genau wie Nick, einen Wal-Freund, der sie jedes Jahr wieder besuchte. Eines Tages zieht ein großer Sturm auf, der das Zuhause des Mädchens zerstört, mit allem, was sie besessen hatte. Am Strand des neuen Zuhauses tauchen nach und nach die Gegenstände auf, die sie zurücklassen mussten. Woher kommen sie? Der Wal-Freund des Mädchens bringt sie und am Ende erfahren wir, dass dies die Geschichte der Oma ist! Dieses Bilderbuch über die Bedeutung von Zuhause und Familie ist anrührend und sehr schön und voller Tiefgang.
Zum Vorlesen ab 4 Jahren.
Lesetipp von Anna Puszies - 27.10.2023
Hanser, 23,00 €
„Dieses Buch handelt vom Hass in der Hässlichkeit und vom Abseits und Gegensatz des Schönen. Es beginnt bei mir und endet in uns allen."
Es ist nicht so leicht zu beschreiben, was die Künstlerin Moshtari Hilal mit ihrem Buch „Hässlichkeit" geschaffen hat, ihre Abhandlung nimmt keine feste literarische Form an, wird gebildet aus einer Sammlung von essayistischen Texten, Gedichten, Zeichnungen.
Hilal schreibt auf der Suche nach den Ursprüngen der Hässlichkeit abwechselnd persönlich und verletzlich, eindringlich, sachlich, kritisch und politisch. So behandelt sie z.B. die Historie der plastischen Chirurgie als Weg aus der Hässlichkeit zu Glück und Lebensfreude und der Assimilation in die Normalität und Unsichtbarkeit. Sie beschreibt die Idee der Physiognomie, die Zusammenhänge zwischen äußerer Erscheinung und Psyche und der damit einhergehenden Ausgrenzung.
Moshtari Hilal sammelt Konzepte von Hässlichkeit, vernetzt sie und setzt sich immer wieder mit ihrer eigenen Geschichte der Hässlichkeit auseinander, reflektiert und beschreibt innere und äußere Kämpfe. Kämpfe gegen Erwartungen und die Gewalt des Konzepts der Schönheit einerseits, gegen Körperbehaarung andererseits.
„Niemand ist hässlich, ohne angesehen zu werden, ohne den Kontrast, den Gegensatz, den Vergleich."
Uns begegnet beim Lesen Hässlichkeit als sozialer Nutzen, als Instrument der Unterdrückung, als Element der Aufrechterhaltung von Abgrenzung und Diskriminierung. Hässlichkeit in Form von Krankheit, Elend und als Erinnerung an die eigene Sterblichkeit und den Wunsch der Verbannung dieser Erinnerung samt der sie tragenden Körper.
„Wenn hässlich bedeutet, alt, krank und ungeliebt zu sein,
dann hassen wir nicht wirklich die Hässlichen, sondern
fürchten unsere eigene Vergänglichkeit, Zerbrechlichkeit
und Einsamkeit."
Und schließlich geht es in Moshtari Hilals Buch nicht um eine Verbannung des Konzepts des Hässlichen, sondern um eine Versöhnung, einen Aufruf zum Umdenken und das Verwerfen des exklusiven Konzepts der Schönheit.
„Hässlichkeit" ist ein ebenso informatives wie berührendes, von persönlichen Erfahrungen geprägtes Buch über Werte und Normen, Wahrnehmung und Ideen von Hässlichkeit.
Lesetipp von Annette Quest - 22.10.2023
Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Erzählung, Steidl, 20,00 €
In einem irischen Dorf wird Anfang der 80er Jahre ein sieben- oder achtjähriges Mädchen zu entfernten Verwandten, den Kinsellas, gegeben, um die hochschwangere Mutter und die Familienkasse eine Weile zu entlasten. Mehr ereignet sich eigentlich nicht in der gerade einmal 95 Seiten kurzen Erzählung – wenn dies nicht durch die Augen der kindlichen Ich-Erzählerin ohne Namen ganz neuartig und spektakulär erscheinen würde. Denn sie erfährt dort erstmals Fürsorge und vertrauensvolle Beziehungen. Ihr ungläubiges Staunen berührt, zumal es mit der Furcht einhergeht, schon im nächsten Augenblick könne all dies wieder vorbei sein. Sie beobachtet die Erwachsenen genau, sie ist auf der Hut ...
Claire Keegan schreibt in einem feinen, leisen, schlichten Stil, der aber in seinen Bildern kunstvoll über sich hinaus weist.
'Das dritte Licht' (im Original 'Foster') wurde mit dem renommierten Davy Byrnes Award ausgezeichnet und in Irland als 'The Quiet Girl', ebenfalls preisgekrönt, verfilmt.
Die Ausgabe wurde von der Autorin neu überarbeitet und aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser.
Lesetipp von Nicole Christiansen - 20.10.2023
Klett Cotta, 20,00 €
In seinem Buch „Traumland" schlägt Adam Soboczynski einen spannenden Bogen von der Ära Kohl bis heute, vom Mauerfall bis zum Krieg in der Ukraine. Sein Buch beginnt 1981, als der damals Sechsjährige mit seiner Familie aus Polen nach Deutschland kommt. Vom Aufnahmelager Friedland zieht die Familie nach Koblenz. „Unser Leben veränderte sich, als hätte jemand einem Schwarzweißfilm mit Zauberhand die Farbe geschenkt." Der Warenüberfluss, die Tatsache, das stets Wasser und Strom vorhanden sind, es eine ausreichend große Wohnung gibt und ein Ford Capri vor der Tür steht, machen das Glück der Familie komplett. Seine Eltern schuften und nehmen viele Entbehrungen in Kauf, um sich in der Bundesrepublik eine neue Existenz aufzubauen. Sie sorgen für eine gute Schulbildung ihrer Kinder und sind stolz darauf, vom Staat keine Unterstützung in Anspruch nehmen zu müssen.
Adam Soboczynski beginnt nach dem Studium in Bonn seine journalistische Laufbahn. Heute leitet er das Ressort Literatur im Feuilleton der ZEIT. Sein neues Buch reflektiert an Hand des westlichen Liberalismus bis hin zum wachsenden Populismus im Osten den schleichenden Umbruch der Gesellschaften. Als Kind einer Einwanderungsfamilie kennt er beide Seiten der Geschichte und schafft es, einen geschärften Blick darauf zu werfen. Das liest sich durchaus amüsant, aber vor allem trägt es zum Verständnis bei. Am Ende seiner Reflexionen gibt er den LeserInnen eine Pflichtlektüre mit auf den Weg: „Die Welt von gestern" von Stefan Zweig. Warum? Weil Zweig 1942 eine „Zeitenwende" beschreibt, deren Parallelen zu heute unübersehbar sind.
Soboczynski resümiert in Bezug auf die Gegenwart:" Denn was anderes galt es jetzt zu verteidigen, als den letzten Hort der Freiheit, diese niemals perfekte, aber beste aller möglichen Welten: den Westen mit seinen ramponierten und verbrauchten Großbegriffen wie Rechtsstaatlichkeit, parlamentarische Demokratie, Privateigentum, Minderheitenschutz und so weiter. Großbegriffe, die noch vor zwanzig Jahren so internationalisiert, so selbstverständlich waren, dass sie bereits nervten."
Wir freuen uns sehr, dass Adam Soboczynski zu uns nach Ottensen kommt. Den Termin finden Sie auf unserer Website unter "Aktuell" ->"Kommende Termine".
Owen Booth: Die wirklich wahren Abenteuer und außerordentlichen Lehrjahre des Teufelskerls Daniel Bones
von Andreas Mahr,
20.11.2023
Lena Hach: Was Wanda will
von Annette Quest,
12.11.2023
Benji Davies: Nick und der Sturm
von Susanne Sießegger,
12.11.2023
Moshtari Hilal: Hässlichkeit
von Anna Puszies,
27.10.2023
Claire Keegan: Das dritte Licht
von Annette Quest,
22.10.2023
Adam Soboczynski: Traumland - Der Westen, der Osten und ich
von Nicole Christiansen,
20.10.2023
Ole Könnecke: Buddeln, baggern, bauen
von Sybille Kramer,
11.10.2023
Ute Krause: Die Muskeltiere und die verflixte 13
von Andreas Mahr,
08.10.2023
Torben Kuhlmann: Die graue Stadt
von Susanne Sießegger,
07.10.2023
Germania Fabiano: Mattanza
von Eva Lorenzen,
27.09.2023
Michael Kobr: Sonne über Gudhjem
von Sigrid Lemke,
24.09.2023
Deniz Utlu: Vaters Meer
von Michael Keune,
18.09.2023
Ursula Poznanski: Oracle
von Annette Quest,
12.09.2023
Frank Maria Reifenberg: An den Ufern des Orowango
von Andreas Mahr,
09.09.2023
Alex Rühle: Zippel macht Zirkus
von Andreas Mahr,
08.09.2023
Elena Fischer: Paradise Garden
von Anna Puszies,
27.08.2023
Maiken Nielsen: Die Frau, die es nicht mehr gibt
von Sigrid Lemke,
24.08.2023
Emma Cline: Die Einladung
von Ella Klees,
24.08.2023
Shelley Read: So weit der Fluss uns trägt
von Susanne Sießegger,
23.08.2023
Donna Barba Higuera: Die letzte Erzählerin
von Annette Quest,
12.08.2023
Elle McNicoll: Wie unsichtbare Funken
von Nicole Christiansen,
04.08.2023
Anne Berest: Die Postkarte
von Susanne Sießegger,
23.07.2023
Herbert Clyde Lewis: Gentleman über Bord
von Annette Quest,
22.07.2023
Birgit Birnbacher: Wovon wir leben
von Sybille Kramer,
21.07.2023
Jerry Craft: New Kid - Als wäre Schule nicht eh schon schwer genug
von Andreas Mahr,
12.07.2023
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